Lohndiskriminierung: Unternehmen sollen Löhne analysieren müssen

Lohndiskriminierung: Unternehmen sollen Löhne analysieren müssen

Dienstag, 28. Oktober 2014

Nachdem freiwillige Massnahmen seitens der Wirtschaft nicht zu Lohngleichheit geführt haben, will der Bundesrat gesetzlich gegen die Lohndiskriminierung von Frauen vorgehen. Unternehmen mit mehr als 50 Angestellten sollen verpflichtet werden, regelmässig Lohnanalysen durchzuführen.

Bern (sda). Diese Lohnanalyse soll von Dritten kontrolliert und im Geschäftsbericht publiziert werden. Bundesrätin Simonetta Sommaruga geht von 10'000 betroffenen Unternehmen in der Schweiz aus, wie sie am Mittwoch vor den Medien in Bern ausführte. Diese beschäftigten mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Die Kontrolle soll entweder von Sozialpartnern, einer Revisionsstelle oder einer staatlich anerkannten Prüfungsorganisation durchgeführt werden. Der Bundesrat will die Wahl der Kontrollinstanz den Unternehmen überlassen, weil diese auch Einblick in die Lohnbuchhaltung erhalten soll.

Keine Lohnpolizei

Das Resultat der Lohnanalyse, die nach anerkannten Methoden durchgeführt werden muss, und allfällige Massnahmen sollen im Geschäftsbericht veröffentlicht werden. Der tatsächliche Lohnunterschied soll jedoch nicht transparent gemacht werden müssen.

Der Schwellenwert für diskriminierende Lohnunterschiede soll voraussichtlich bei 5 Prozent festgelegt werden. Mit der Berichterstattungspflicht für Unternehmen will der Bundesrat allfällige Lohnklagen auf eine bessere Grundlage stellen.

Weitergehende Massnahmen – etwa Sanktionen – lehnte der Bundesrat ab. «Er will keine Lohnpolizei», sagte Sommaruga. Allerdings will der Bundesrat vertieft prüfen, ob eine Meldepflicht eingeführt werden soll, falls die Unternehmen die Empfehlungen der Kontrollinstanz nicht umsetzen. Im Zentrum stünden aber die Selbstkontrolle und Selbstverantwortung der Unternehmen – einfach nicht mehr auf freiwilliger Basis, erklärte Sommaruga.

Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) wird zusammen mit dem Innendepartement (EDI) und dem Wirtschaftsdepartement (WBF) bis Mitte nächsten Jahres eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage ausarbeiten. Wichtig seien die Verhältnismässigkeit und ein vertretbarer administrativer Aufwand für die Unternehmen.

33 Jahre mit bescheidenem Erfolg

Der Grundsatz der Lohngleichheit für Frau und Mann ist seit 1981 in der Bundesverfassung und seit 1996 im Gleichstellungsgesetz verankert. Trotzdem verdienen Frauen in der Schweiz 18,9 Prozent weniger als Männer. Fast die Hälfte dieser Differenz ist nicht mit objektiven Faktoren erklärbar und damit unzulässige Lohndiskriminierung aufgrund des Geschlechts.

Frauen verdienen monatlich durchschnittlich 677 Franken weniger als Männer mit gleicher oder vergleichbarer Arbeit. «Das sind jährlich 7,7 Milliarden Franken, die nicht nur Frauen, sondern auch Familien fehlen», sagte Sommaruga.

In der Hoffnung, diese Diskriminierung freiwillig zu überwinden, setzte der Bundesrat ab 2009 auf den Lohngleichheitsdialog. Unternehmen sollten freiwillig überprüfen, ob ihre Löhne dem Grundsatz der Lohngleichheit entsprachen. Getragen wurde der Dialog vom Arbeitsgeberverband, vom Gewerbeverband, vom Gewerkschaftsbund (SGB) und von Travail.Suisse. Nach fünf Jahren blieb der Erfolg aus: Statt der angepeilten 100 Unternehmen nahmen deren 51 daran teil.

SGB: «Noch zahnlos»

Die Gewerkschaften begrüssen die vorgesehenen Massnahmen als Schritt in die richtige Richtung. Angesichts des grossen Handlungsbedarfs seien die Vorschläge aber «noch zu zahnlos», kritisiert der SGB. Aus Sicht von Travail.Suisse müssten die tatsächlichen Lohnunterschiede ebenfalls publiziert werden.

Der Frauendachverband alliance F begrüsst zwar das Einschreiten des Bundesrats. Notwendig seien aber nicht nur Lohnanalysen, sondern eine wirksame Kontrolle in Form einer paritätischen Lohn-Kommission.

Wenig Freude lösen die geplanten Lohnkontrollen beim Arbeitgeberverband aus. Eine Meldepflicht sei nicht der richtige Weg, hiess es auf Anfrage. Allerdings will der Verband erst die Details in der Vernehmlassung abwarten. Der Gewerbeverband (sgv) lehnt die Vorschläge als bürokratischen Eingriff, der bloss Zusatzkosten verursache, rundweg ab.